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COVID 19

 

BGH-Urteil zur Mietzahlungspflicht im Falle einer coronabedingten Geschäftsschließung

22.02.2022

Mit Urteil vom 12.01.2022 hat der Bundesgerichtshof, Az. XII ZR 8/21, entschieden, dass Mieter im Falle einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, einen Anspruch auf Anpassung der Miete haben können.
 
1. Sachverhalt
Dem Urteil des Bundesgerichtshofs lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Ein Textildiscounter (nachfolgend: Mieter) musste aufgrund einer landesrechtlichen Allgemeinverfügung zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie sein angemietetes Ladengeschäft zeitweise schließen.

Der Vermieter dieses Ladengeschäftes verlangte auch für den Zeitraum, in dem der Mieter das Ladengeschäft aufgrund der landesrechtlichen Allgemeinverfügung zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie schließen musste, die Zahlung der Miete in voller Höhe. Der Mieter wies den vom Vermieter geltend gemachten Mietzahlungsanspruch vollständig zurück und berief sich auf die Mangelhaftigkeit der Mietsache gemäß § 536 Abs. 1 BGB, Befreiung vom Mietzahlungsanspruch gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 BGB wegen Unmöglichkeit sowie auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB.

2. Prozessverlauf
In erster Instanz war das Landgericht Chemnitz mit der Sache befasst und verurteilte den Mieter zur Zahlung der gesamten Miete.

Im Berufungsverfahren hob das Oberlandesgericht Dresden das Urteil des Landgerichts Chemnitz auf, verurteilte den Mieter lediglich zur Zahlung von 50% der Miete und wies den Mietzahlungsanspruch im Übrigen zurück. Das Oberlandesgericht Dresden stützte seine Entscheidung dabei auf § 313 Abs. 1 BGB, welcher eine (pauschale) Herabsetzung der Miete um 50% rechtfertige, da keine der Vertragsparteien die Ursache für die Pandemie gesetzt oder diese vorausgesehen habe.

3. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Dem Ansatz einer pauschalen Herabsetzung der Miete um 50 % trat der Bundesgerichtshof, Az. XII ZR 8/21, mit Urteil vom 12.01.2022 entgegen. Eine solche pauschale Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs rechtsfehlerhaft. Ob ein Anspruch auf Anpassung der Miete besteht und ggf. in welcher Höhe eine solche Anpassung vorzunehmen ist, ist eine Frage der Einzelfallbetrachtung.

3.1 Kein Mietmangel gemäß § 536 Abs. 1 BGB
In dem Urteil vom 12.01.2022 bestätigt der Bundesgerichtshof die bereits von den Vorinstanzen getroffene Feststellung, dass die behördliche Schließungsanordnung nicht zu einem Mietmangel führt und damit auch kein Minderungsrecht des Mieters gemäß § 536 Abs. 1 BGB besteht.

Ein Mietmangel ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs nur bei öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernissen denkbar, die an die Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.

Vielmehr stellt die behördliche Schließungsanordnung ein öffentlich-rechtliches Gebrauchshindernis dar, das sich aus den betriebsbezogenen Umständen ergibt. Für solche Umstände hat der Vermieter ohne anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen. Aus diesem Grund begründet die behördliche Schließungsanordnung keinen zur Mietminderung berechtigenden Mietmangel.

3.2 Kein Ausschluss der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit
Weiter stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Mieter auch nicht deshalb von seiner Verpflichtung zur Mietzahlung befreit ist, weil dem Vermieter seine vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB).

Dem Vermieter war es während der Zeit der Betriebsschließung trotz der behördlichen Schließungsanordnung nicht unmöglich, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Der Vermieter hat daher auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gemäß § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht. Eine Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie hatte der Vermieter nicht übernommen.

3.3 Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB
Im Falle einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass sich infolge der COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert hat.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat die Mieterin im vorliegenden Fall nicht das alleinige Verwendungsrisiko für den Fall einer pandemiebedingten Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts übernommen. Auch wenn die mit einer pandemiebedingten Betriebsschließung verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB).

Zunächst ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Würdigung des Einzelfalls zu überprüfen, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind, wobei auf den Umsatzrückgang im konkreten Mietobjekt während der Zeit der Schließung abzustellen ist (nicht z.B. auf den Konzernumsatz). Weiter ist im Rahmen dieser Prüfung zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Auch sind finanzielle Vorteile zu bedenken, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile oder aus einstandspflichtigen Betriebsversicherungen erlangt hat. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, müsse er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Eine tatsächliche Gefährdung der Existenz des Mieters ist für die Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB hingegen nicht erforderlich. Letztlich ist zu beachten, dass es bei der Beurteilung nicht nur auf einen Umsatzrückgang als solchen ankomme. Dieser muss vielmehr derart erheblich sein, dass es dem Mieter unzumutbar ist, die vollständige Miete zu leisten.

4. Fazit
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs steht fest, dass es keine pauschale Lösung für die Frage der Mietzahlungspflicht im Falle einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, gibt.
Zwar stellt eine solche Geschäftsschließung nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs einen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar. Ob jedoch hiermit ein Anspruch auf Anpassung der Miete verbunden ist, bleibt einer Einzelfallprüfung vorbehalten.
 
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