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Aktuelles

Wichtige Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie

27.03.2020

Der Bundesrat hat am Freitag, den 27. März 2020, dem vom Bundestag am 25. März 2020 beschlossenen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds und zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht zugestimmt. Die Gesetze sind mit Ausfertigung durch den Bundespräsidenten in Kraft getreten.


Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (nachfolgend: WSF) soll Unternehmen zur Stabilisierung der deutschen Realwirtschaft finanziell über Garantien, Eigenkapital oder  eigenkapitalähnliche Instrumente unterstützen. Im unternehmenspolitischen Fokus steht die notwendige Absicherung von Produktionsketten und Arbeitsplätzen. Im Gegenzug verpflichten sich die begünstigten Unternehmen zu einer gesunden Unternehmensführung (Corporate Governance) und gewähren dem staatlichen WSF bestimmte Einflussmöglichkeiten.
Das Gesetz enthält eine Vielzahl von Erleichterungen für jene, die infolge der Pandemie aktuell nicht ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können.

Wir informieren Sie hier über die wesentlichen Gesetzesänderungen.
Für weitere Informationen und zur Beantwortung von Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Stabilisierungsmaßnahmen des WSF

Dem WSF stehen die folgenden Stabilisierungsmaßnahmen zur Verfügung:
1. Der WSF kann Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro für Verbindlichkeiten von Unternehmen der Realwirtschaft übernehmen, die in dem Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetzes bis zum 31.12.2021  begründet worden sind, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen. Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten darf 60 Monate nicht übersteigen. Für die Übernahme von  Garantien ist eine marktgerechte Gegenleistung zu erheben.

2. Weiter kann sich der WSF an der Rekapitalisierung von Unternehmen der Realwirtschaft beteiligen. Die Rekapitalisierungsmaßnahmen umfassen den Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen, den Erwerb von Anteilen an Unternehmen und die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals dieser Unternehmen, wenn dies für die Stabilisierung des Unternehmens erforderlich ist. Die Rekapitalisierung erfolgt zu marktgerechten Bedingungen. Das Volumen dieser Rekapitalisierung beläuft sich auf 100 Milliarden Euro. Das Gesetz sieht weder eine Befristung noch ein Datum für die Veräußerung etwaiger Unternehmensbeteiligungen vor.

Voraussetzungen und Bedingungen für Stabilisierungsmaßnahmen
1. Diese Stabilisierungsmaßnahmen stehen nur subsidiär zur Verfügung. Das heißt, dass Unternehmen die Stabilisierungsmaßnahmen nur erhalten, wenn ihnen keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

2. Weiter muss durch die Stabilisierungsmaßnahme eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Corona-Pandemie bestehen.

3. Unternehmen, die Stabilisierungsmaßnahmen des WSF in Anspruch nehmen, müssen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten. Sie sollen insbesondere einen Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten. Zur Sicherstellung dieser Bedingungen können Auflagen mit den Begünstigten der Stabilisierungsmaßnahmen vereinbart werden. Durch eine Rechtsverordnung können nähere Bestimmungen über die von den begünstigten Unternehmen zu erfüllenden Anforderungen erlassen werden. Die Anforderungen können von Zweckbestimmungen für die aufgenommenen Mittel über die Vergütung der Unternehmensorgane und Ausschüttung von Dividenden bis hin zu Restrukturierungsauflagen reichen.
 

Änderungen im Insolvenzrecht

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Mit dem Corona-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (CorInsAG) soll die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden.
Die Aussetzung der Antragspflicht gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Das Gesetz beinhaltet eine gesetzliche Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war. Schuldner, die sich auf die Aussetzung der Antragspflicht berufen, sollten daher darauf vorbereitet sein, darlegen und beweisen zu können, dass am 31. Dezember 2019 keine Zahlungsunfähigkeit vorlag. In diesem Fall greift die gesetzliche Vermutung ein, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gegeben sind.


2. Aussetzung der Haftung von Geschäftsleitern für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden
Soweit die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags ausgesetzt ist, gelten von den Geschäftsleitern der jeweiligen Unternehmen im ordentlichen Ge-schäftsgang autorisierte Zahlungen, insbesondere solche, die der Aufrecht-erhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters im Sinne der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen vereinbar und lösen für die Geschäftsleiter keine Schadenersatzhaftung aus.

3. Aussetzung der Insolvenzanfechtung bei Kreditierung und Besicherung
Die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten nicht als gläubigerbenachteiligend und unterliegen somit nicht der Insolvenzanfechtung.
Ebenso als nicht gläubigerbenachteiligend und insolvenzanfechtbar gelten die Rückgewähr von im Aussetzungszeitraum gewährten Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen; dies gilt jedoch nicht für die Bestellung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen und diesen gleichgestellten Darlehen.
Diese Regelungen gelten auch für Unternehmen, die keiner  Insolvenzantragspflicht unterliegen sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind.
Die Regelungen dienen dem Schutz der Geber von neuen Krediten, einschließlich von Warenkrediten und anderen Formen der Leistungserbringung auf Ziel. Sie sollen nicht befürchten müssen, zur Rückgewähr zwischenzeitlicher Leistungen verpflichtet zu werden oder den Zugriff auf die bei der Vergabe der neuen Kredite gewährten Sicherheiten zu verlieren, wenn die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers scheitern und deshalb doch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.


4. Aussetzung der Insolvenzverschleppungshaftung sowie der Haftung wegen sittenwidriger Schädigung für Kreditgeber bei der Kreditvergabe
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für eine Haftung der Kreditgeber bei der Kreditvergabe zur Unternehmenssanierung (Stichworte: Insolvenzverschleppungshaftung, sittenwidrige Schädigung von Drittgläubigern auf Grund überlegenen Wissens des Kreditgebers, etc.) wird für die Dauer, für die die Pflicht zur Insolvenzantragstellung ausgesetzt ist, suspendiert.
Durch diese Regelung wird die Rechtssicherheit für die Geber neuer Finanzierungen in der Krise erhöht. Die Voraussetzungen eines Sittenverstoßes (§§ 138, 826 BGB) werden bei der Gewährung von Krediten und/oder deren Besicherung im Rahmen der finanziellen Stützung von Unternehmen, die durch die Corona-Krise in eine akute Schieflage geraten sind, in aller Regel nicht vorliegen. Von der Vorschrift sind auch Prolongationen und Novationen erfasst.


5. Aussetzung des Insolvenzanfechtungsrechtes
Die Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung bei Befriedigung oder Sicherung des Gläubigers werden zu Gunsten der die Befriedigung oder Sicherung betreffenden Gläubiger eingeschränkt. Damit sollen Warenverkehr und Leistungsaustausch mit sanierungsbedürftigen Unternehmen möglich bleiben.

6. Aussetzung von Insolvenzanträgen durch Gläubiger
Zum Schutz der in die Krise geratenen Schuldner für die Dauer von drei Monaten schränkt das Gesetz die Möglichkeit ein, dass ein Gläubiger die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners erzwingt. Vorausgesetzt, dass die Insolvenzreife des Schuldners nicht bereits am 1. März 2020 vorlag, kann ein Gläubiger nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erreichen, wenn er seinen Antrag auf Insolvenzverfahrenseröffnung innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Verkündung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beim Insolvenzgericht einreicht.
 

Änderungen im Gesellschaftsrecht

1. Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische
Gesellschaften (SE)

1.1. Die Vorstände von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäischen Gesellschaften (SE) können Entscheidungen über die Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung, die Stimmabgabe und die Zulassung der Bild- und Tonübertragung im Wege elektronischer Kommunikation auch ohne Ermächtigung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung treffen. Die Entscheidungen der Vorstände bedürfen der Zustimmung des jeweiligen Aufsichtsrats.

1.2. Sofern die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
(a) Die gesamte Versammlung muss in Bild und Ton übertragen werden.
(b) Die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung wird ermöglicht.
(c) Den Aktionären wird eine Fragemöglichkeit eingeräumt.
(d) Den Aktionären, die ihr Stimmrecht ausgeübt haben, wird in Abweichung von § 245 Nr. 1 AktG unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt.
Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet; er kann auch vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Die Beantwortung der Fragen erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen.

1.3 Mit Zustimmung des Aufsichtsrats kann der Vorstand der unter Ziffer 1.1 genannten Gesellschaften die gesetzlichen Fristen im Vorfeld einer Hauptversammlung verkürzen:
Die Einberufungsfrist von 30 Tagen (§ 123 Abs. 1 Satz 1 AktG) kann auf 21 Tage reduziert werden. Diese Mindestfrist verlängert sich in Abweichung von § 123 Abs. 2 Satz 5 AktG nicht um die Frist zur Anmeldung der Teilnahme an der Hauptversammlung oder der Ausübung des Stimmrechts (sog. Anmeldefrist).
Die Anmeldefrist kann nicht verkürzt werden. Demnach beträgt die Anmeldefrist weiterhin sechs Tage, sofern die Satzung keine kürzere Frist vorsieht.
Der Nachweisstichtag für Inhaberaktien börsennotierter Gesellschaften (§ 123 Abs. 4 Satz 2 AktG) wird vom 21. Tag auf den 12. Tag vor der Hauptversammlung verlegt. Der Nachweis muss der Gesellschaft – vorbehaltlich einer in der Einladung mitgeteilten kürzeren Frist – mindestens am vierten Tag vor der Hauptversammlung zugehen.

1.4. Mit Zustimmung des Aufsichtsrats kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung durch die Satzung entscheiden, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre zu zahlen.

1.5. Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Hauptversammlung auch nach der Achtmonatsfrist gemäß § 175 Absatz 1 Satz 2 AktG innerhalb des Geschäftsjahres stattfindet. Ein Zwangsgeldverfahren gemäß § 407 Absatz 1 AktG ist in diesem Fall ausgeschlossen. Ebenso ist eine Schadensersatzhaftung nach § 93 Absatz 2 AktG im Falle einer Verschiebung aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie innerhalb des Geschäftsjahres über die ursprüngliche Frist hinaus ausgeschlossen.
Für die SE gilt diese Erleichterung ausdrücklich nicht. Sie bleibt grundsätzlich verpflichtet, die ordentliche Hauptversammlung in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres (Art. 54 Abs.1 S.1 SE-VO) durchzuführen. Dem deutschen Gesetzgeber fehlt es insoweit an der Gesetzgebungskompetenz.

2. Gesellschaften mit beschränkter Haftung
Abweichend von § 48 Absatz 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.

3. Genossenschaften
Beschlüsse der Mitglieder von Genossenschaften können auch dann in elektronischer Form gefasst werden, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist. Die Feststellung des Jahresabschlusses kann durch den Aufsichtsrat erfolgen.

4. Vereine
Vorstandsmitglieder eines Vereins bleiben bis zur Bestellung von Nachfolgern im Amt. Die Teilnahme von Vereinsmitgliedern an der Mitgliederversammlung auf elektronischem Wege wird ermöglicht. Ebenso ermöglicht wird die schriftliche Stimmabgabe vor der Durchführung der Mitgliederversammlung. Abweichend von § 32 Abs. 2 BGB ist ein Verein beschlussfähig, wenn alle Mitglieder beteiligt und mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme in Textform abgegeben haben.

5. Wohnungseigentümergemeinschaften
Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt. Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

 

Änderungen im Zivilrecht

1. Leistungsverweigerungsrecht

1.1. Das Gesetz sieht ein Leistungsverweigerungsrecht zugunsten von Verbrauchern vor.
Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf Covid-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre.

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind (z.B. Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste und, soweit zivilrechtlich geregelt, auch Verträge über die Wasserver- und –entsorgung).
Das Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers ist ausgeschlossen, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist für den Gläubiger unzumutbar, wenn die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbebetriebs gefährden würde. Sofern das Leistungsverweigerungsrecht hiernach ausgeschlossen ist, besteht ein Kündigungsrecht zugunsten des Verbrauchers.

1.2. Das Gesetz sieht weiter ein Leistungsverweigerungsrecht zugunsten von Kleinstunternehmern vor.
Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. Euro nicht überschreitet.
Kleinstunternehmer können Leistungen aus vor dem 8. März 2020 geschlossenen Dauerschuldverhältnissen bis zum 30. Juni 2020 verweigern, wenn das Unternehmen aufgrund von in der Covid-19-Pandemie liegenden Umständen zur Erbringung der Leistung nicht in der Lage ist oder die Erbringung der Leistung die wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs gefährden würde.
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind (z.B. Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste und, soweit zivilrechtlich geregelt, auch Verträge über die Wasserver-und –entsorgung).
Das Leistungsverweigerungsrecht des Kleinstunternehmers besteht nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist für den Gläubiger unzumutbar, wenn die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde.
Sofern das Leistungsverweigerungsrecht hiernach ausgeschlossen ist, besteht ein Kündigungsrecht zugunsten des Kleinstunternehmens.

1.3. Weder das Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers noch das Leistungsverweigerungsrecht des Kleinstunternehmers gelten im Zusammenhang mit Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen sowie im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen.

2. Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume oder ein Pachtverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.
Diese Kündigungsbeschränkung gilt bis zum 30. Juni 2022. Demnach müssen bis zum 30. Juni 2022 also die bisher nicht geleisteten Mietzinsen geleistet sein, um eine Kündigung aufgrund einer fehlenden Leistung dieser Mietzinsen auszuschließen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.

3. Darlehensrecht
3.1. Ansprüche eines Darlehensgebers aus einem vor dem 15. März 2020 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, werden mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der Covid-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist.
Es gilt keine Vermutung dafür, dass Einnahmeausfälle durch die COVID-19-Pandemie bedingt sind. Dies muss der Verbraucher darlegen und beweisen.
Die Erbringung der geschuldeten Leistung ist dem Verbraucher nicht zumutbar, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.

3.2. Soweit und solange die Ansprüche des Darlehensgebers gestundet sind, darf der Darlehensgeber nicht wegen Zahlungsverzugs, wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit kündigen.

3.3. Falls keine einvernehmliche Regelung zwischen dem Darlehensgeber und dem Verbraucher für den Zeitraum nach dem 30. Juni 2020 zustande kommt, verlängert sich die Vertragslaufzeit um weitere drei Monate. Mit der Verlängerung der Vertragslaufzeit verlängert sich die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um drei Monate.

3.4. Die Stundungsregelung oder der Kündigungsausschluss gelten nicht, sofern dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist.

 

Änderungen im Arbeitsrecht

1. Kurzarbeit
Kurzarbeitergeld kann grundsätzlich von der Bundesagentur für Arbeit gewährt werden, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung oder zwischen Arbeitgeber und den betroffenen Beschäftigten eine arbeitsrechtliche Reduzierung der Arbeitszeit im Betrieb vereinbart wurde und damit ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall einhergeht, sofern die weiteren Voraussetzungen der §§ 96ff. SGB III vorliegen.
Aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie kommt es zu immer mehr Arbeitsausfällen. Um die Unternehmen und die Beschäftigten vor den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu schützen, hat die Bundesregierung den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert.
Die Bundesregierung hat auf der Grundlage der Ermächtigung in dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld am 23.03.2020 eine Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit beschlossen. Die Regelungen dieser Verordnung gelten rückwirkend zum 01.03.2020.

Zu den Erleichterungen im Einzelnen:
1.1. Bisher musste ein Drittel der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall betroffen sein, um Kurzarbeit anmelden zu können. Nunmehr kann ein Betrieb bereits Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten im Betrieb von einem Arbeitsausfall betroffen sind.

1.2. Das bislang geltende Recht verlangte, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen, wie z.B. den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden („Minusstunden“), genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden. Auf diese Voraussetzung wird nunmehr vollständig verzichtet.

1.3. Kurzarbeitergeld können auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer beziehen, d.h. auch Zeitarbeitsunternehmen können ab sofort einen Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzeigen.

1.4. Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber für ihre kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müssen, werden nunmehr von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet.

1.5. Für Bezieherinnen und Bezieher von Saison-Kurzarbeitergeld werden die Sozialversicherungsbeiträge nicht aus der Winterbeschäftigungs-Umlage, sondern auch aus den Beitragsmitteln erstattet.

2. Individualrechtliche Folgen der Covid-19-Pandemie
2.1. Wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer freistellt, bleibt der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer hiervon unberührt. Der Arbeitnehmer ist weiterhin zu vergüten.

2.2. Sofern ein Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Covid-19-Ansteckung nicht zur Arbeit erscheint, hat er keinen Vergütungsanspruch. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht auch bei drohenden Pandemien nicht.
Bleiben Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Covid-19-Ansteckung zu Hause, fehlen sie unentschuldigt. Das unentschuldigte Fehlen kann sanktioniert werden. So können grundsätzlich Abmahnungen und im Wiederholungsfalle auch Kündigungen ausgesprochen werden.

2.3. Sofern arbeitsvertraglich nicht vereinbart, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Arbeiten von zu Hause aus, sog. Home-Office, ermöglicht. Dies bedeutet, dass das Home-Office vielmehr einer einvernehmlichen Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bedarf.

2.4. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt nicht, wenn die Covid-19-Pandemie zu einem Auftrags- oder Rohstoffmangel führt und der Betrieb aus diesem Grunde zum Erliegen kommt.

2.5. Ist der Arbeitnehmer an Covid-19 erkrankt, hat er gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen.
2.6. Sofern gegen den erkrankten Arbeitnehmer zugleich ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) angeordnet worden ist, hat der Arbeitgeber zwar weiterhin dem Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Wochen das Entgelt fortzuzahlen. Allerdings werden dem Arbeitgeber die geleisteten Beträge auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (vgl. § 56 Abs. 5 S.2 IfSG). Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit zu stellen.

2.7. Sofern ein Arbeitnehmer nicht erkrankt ist, aber aufgrund behördlicher Anweisung zu Hause bleiben muss (sog. Quarantäne), hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zu leisten. Die geleistete Entschädigung wird dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit zu stellen.

2.8. Wird der Betrieb - z.B. auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG - geschlossen, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern ein Infektionsrisiko besteht, ist die Frage, ob der Arbeitgeber einen  Entschädigungsanspruch wegen der geleisteten Arbeitnehmervergütung geltend machen kann, noch nicht höchstrichterlich geklärt. Aus Vorsichtsgründen sollte der Arbeitgeber jedenfalls entsprechende Anträge auf Erstattung der Entgeltleistungen innerhalb von 3 Monaten nach Erlass der Schließungsverfügung stellen.


 
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